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Viele deutsche (Innen-)Städte haben ein Problem. Herausforderungen von Klima- und demografischem Wandel halten sie nicht stand. Jetzt nicht (mehr) und schon gar nicht in Zukunft. Doch wie kann die Transformation zu einer resilienten Stadt aussehen? Die Stadt Hannover möchte Antworten auf diese Frage mit Reallaboren und gemeinsam mit ihren Bürger*innen herausfinden.
Innenstadt: Selten rein, schnell wieder raus
Wann warst du zuletzt in der Innenstadt? Und: Hältst du dich gern dort auf? Mich zieht es nur selten in das Innerste “meiner” Stadt. Für Besorgungen, vielleicht einem Arzttermin oder Behördengang. Eventuell zu einer Veranstaltung. Und gelegentlich, wenn Besuch auf klassisches touristisches Programm besteht. Kurzum: Ich mache mich selten in die Innenstadt auf und wenn, versuche ich Anlässe miteinander zu verbinden, um möglichst schnell wieder weg zu sein. Warum eigentlich? Weil es in Betonwüsten und Häuserschluchten im Sommer brütend heiß ist und im Winter zieht der Wind. Weil es laut und wuselig ist zu Stoßzeiten und nach Ladenschluss wie ausgestorben. Der Aufenthalt mit Kindern ist noch anstrengender als allein. Für sie ist die Innenstadt nicht gemacht. Hier gibt es außer Konsum wenig, was sie begeistern könnte. Überhaupt, wer nicht bei Ketten shoppen und essen möchte, findet kaum Alternativen. Weder an Einkaufsgelegenheiten, noch an Aktivitäten. Individuell, fair und ökologisch verbinde ich ebenso wenig mit Hannovers Innenstadt, wie Grün, Entspannung, Spiel und Ruhe. Die Innenstadt ist für mich als Wohn- und Freizeitort unattraktiv.
Urbane Herausforderungen
Die skizzierten Unzulänglichkeiten sind mehr als ein Problem, das nur ich mit meiner – der hannöverschen – Innenstadt von heute habe. Unter der Leitinitiative Zukunftsstadt des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beackern seit 2016 etwa 50 Forschungsprojekte Herausforderungen, mit denen deutsche Städte konfrontiert sind – und mit welchen Strategien sie gelöst werden können. Unter nachhaltige-zukunftsstadt.de werden die Erkenntnisse zusammengeführt.
Tiefgreifende Veränderungsprozesse und krisenhafte Entwicklungen sind unübersehbar: Der Klimawandel ist längst keine abstrakte Prognose mehr, sondern wird in den Städten in Form von häufiger auftretenden Extremwetterereignissen immer stärker spürbar.
Begleitvorhaben Synver*z – Synthese und Vernetzung Zukunftsstadt, Seite 6
Ganz zentral sind die negativen Folgen des Klimawandels für den Wandlungsbedarf deutscher Innenstädte, wie
Starkregen
Sind die Böden durch Bebauung oder Bodenbelag versiegelt, können sie kein Wasser aufnehmen. Insbesondere Starkregen kann Überschwemmungen verursachen, technische Infrastrukturen überlasten und wirtschaftliche Schäden zur Folge haben.
Hitze
In Innenstädten können es bis zu 5 Grad wärmer sein, als im Umland. Verheerend für Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen – vorallem den ältesten und jüngsten.
Trockenheit
Städtische Grünflächen leiden unter anhaltenden Trockenperioden. Insbesondere ein Buchensterben wird beobachtet, auch in Hannovers riesigem Stadtwald, der Eilenriede.
Aber auch der Wandel in der Bevölkerungsdemografie stellt Anforderungen an die Stadt der Zukunft, um ihren Bewohner*innen und Besucher*innen gerecht zu werden.
Die Menschen werden älter, die Bevölkerung nimmt einerseits in immer mehr Regionen ab, andererseits stehen vor allem Großstädte und Großstadtregionen anhaltendem Bevölkerungswachstum gegenüber. Darüber hinaus wird die Zusammensetzung der Gesellschaft durch anhaltenden Zuzug aus dem Ausland vielfältiger.
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI)
Lösung: Nachhaltige Städtetransformation
Weniger Ressourcenverbrauch, bessere Luftqualität, weniger Lärmbelästigung, effiziente Flächen- und Infrastrukturnutzung, Teilhabemöglichkeiten, eine hohe Aufenthaltsqualität usw. sind Ziele für die Transformation zur nachhaltigen, widerstandsfähigen Zukunfts(innen)stadt.
Lösungen finden sich im Städtebau. Zum Beispiel indem mehr Grünflächen und “Begegnungsräume” geschaffen werden. Öffentliche Parks, klar. Aber auch Gemeinschaftsgärten oder begrünte Dächer und Fassaden. Ein Jugendzentrum, eine Stadtteilwerkstatt, ein Spielplatz, ein Outdoor-Gym. Oder “nur” zusätzliche Sitzgelegenheiten.
Aber auch ein verändertes Konsum-, Produktions- und Mobilitätsverhalten ist erforderlich. Letzteres zum Beispiel, das Von-A-nach-B-kommen: Eine Zukunfts(innen)stadt kann nicht vorrangig autogerecht sein. Denn der motorisierte Individualverkehr ist zum Einen klima-, umwelt- und gesundheitsschädlich. Zum Anderen steht er nicht allen zur Verfügung. Mobilität muss stattdessen klima- und umweltschonend ermöglicht werden. Und zwar für alle. Autofreie Straßen und Flächen bedeuten Einschränkungen – zumindest nach Empfinden vieler ihr Auto liebenden Deutschen, in jedem Fall aber für den Lieferverkehr – zugleich aber auch ein alternatives Mobilitätsangebot für Personen und Güter. Ob das nun der Ausbau von Rad- und Gehwegen, die Bereitstellung von E-Scootern, 1-Euro-Tickets für den ÖPNV, eine Seil- oder Schwebebahn oder, oder, oder ist, das muss jede Stadt für sich herausfinden. Und das wiederum geht nur gemeinsam!
Gemeinsam: Bürger*innenbeteiligung muss sein
Erfolgreiche, resiliente Stadtentwicklung hat weder ein Ende, noch gibt es eine Musterlösung. (Fortlaufende) Bürgerbeteiligung ist der Schlüssel zum Gelingen. Und Reallabore sind eine Möglichkeit, um Bürger*innen, Bewohner*innen, Besucher*innen sowie Produzent*innen, Händler*innen und Verwaltung einzubeziehen und so ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Visionen zusammenzuführen.
Hannover Mit(te) Gestalten
Die hannöversche Innenstadt widerstandsfähig gegen Klimawandel und begleitende Krisen, wie die Corona-Pandemie, und zu einem belebten, gern besuchten und bewohnten Ort zu machen, das ist das Ziel von Hannover Mit(te) Gestalten. Anschließend an eine Repräsentativbefragung von Hannoveraner*innen im April und Mai 2021, hat die Stadtverwaltung einen Innenstadtdialog über sogenannte Experimentierräume initiiert. Auf innerstädtischen Flächen soll das “urbane Leben von morgen ausprobiert, erlebt und diskutiert werden”. Unterstützt werden die unterschiedlichen Informations- und Dialogformate im innerstädtischen Raum von vielen Partner*innen. Wichtigste im Bunde: die Hannoveraner*innen selbst.
Wann und wo?
In zwei Zeiträumen werden Experimentierräume gestaltet. Zu diesem Zweck wird mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrende geschaffen:
- Vom 5. bis zum 11. Juli 2021 bespielt die Stadtverwaltung die Schmiedestraße und den Bereich an der Marktkirche sowie den Köbelinger Markt. In den Folgewochen bis zum 01. August haben Anlieger*innen die Möglichkeit ihre Visionen zu präsentieren.
- Vom 30. August bis zum 5. September findet das zweite Reallabor rund um das “Kulturdreieck” Oper, Schauspielhaus und Kunstverein statt. Im Anschluss können sich auch hier die Anlieger*innen sowie Interessierte in der Woche vom 6. bis 12. September einbringen.
Wie?
Jedermensch ist aufgerufen, sich die temporäre Umgestaltung und die Informationsformate, etwa die Schaufensterausstellung “Früher war sogar die Zukunft besser” oder die Ground-Poster “Was wäre, wenn …“, anzuschauen. Ob im Gespräch mit Vertreter*innen der Stadtverwaltung, mit der Teilnahme an Workshops oder Events oder durch eigeninitiative Teilnahme an der Programmgestaltung kann man auch aktiv seine Meinung einbringen und in Austausch treten. Zum Beispiel so:
- Sitzbank bestellen: Ohne Konsumzwang an einem Ort in der Stadt zu verweilen, dafür braucht es Sitzgelegenheiten. Mit der Aktion „Hannover nimm(t) Platz“ können Bürger*innen eine Bank temporärer an einen Ort bestellen. Über die Aktion wird Anfang Juli auf dem Köbelinger Markt informiert.
- Jugend bestimmt: Während eines Open-Air-Jugendzentrums auf dem Köbelinger Markt vom 08. bis zum 10. Juli gibt es nicht nur viel Entertainement für junge Bürger*innen Hannovers. In einer Fotobox haben sie die Gelegenheit Ideen und Wünsche für ihre Stadt von morgen festzuhalten.
- Visionen teilen: Privatpersonen, Vereine und Unternehmen sind eingeladen, selbst Zukunftsperspektiven und Visionen für das Stadtleben von morgen darzustellen und Dialogformate auszurichten. Informationen zur Bewerbung finden sich hier.
Und dann?
Alle Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Innenstadtdialog und den begleitenden Befragungen und Dokumentationen fließen in ein Konzept für Hannovers Innenstadt der Zukunft und ein entsprechendes Handlungsprogramm mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen. Welche Ideen und Visionen umgesetzt werden, können Hannoveraner*innen und Besucher*innen ab 2022 erleben und auf den Kanälen der Stadtverwaltung, wie @hannoverwaltung auf Instagram mitverfolgen.